Haushaltsrede, 18.12.12
FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Annette Trabold
– es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren und Damen,
meine Herren und Damen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

alle zwei Jahre zur Weihnachtszeit laufen die Heidelberger Stadträtinnen und -räte hektisch, teilweise mit angespanntem Gesicht durch die Stadt und lassen ihre Familie und Umgebung wissen: "Habe keine Zeit, ich mache den Haushalt". Längst hat sich das nähere Umfeld daran gewöhnt, was damit gemeint ist. Bei mir seit meinem ersten Haushalt vor 23 Jahren zusammen mit meiner damaligen FDP-Kollegin Helga Bräutigam, als ich also meinen Freundeskreis wissen ließ: "Ich kann nicht kommen, habe keine Zeit zum geselligen Zimtsterne knabbern, muss zu Helga den Haushalt machen". Nach anfänglicher Verwunderung darüber, warum man wohl als Stadträtin den Haushalt einer anderen Kollegin machen müsse – wunderlich war ja die FDP schon immer etwas und man weiß ja nie – weiß inzwischen nun jeder, was in dieser Zeit los ist.

Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird es nicht anders ergehen. "Das bisschen Haushalt" – so ein Schlagertitel, auf den uns mein Kollege Karl Breer aufmerksam machte, nein nein, nicht von Cindy und Bert aber mit ähnlichem schaurigen "Tiefgang", hält uns in dieser Zeit mächtig auf Trab! Das "bisschen" ist nämlich ganz schön viel... Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Verwaltung, insbesondere bei Herrn Heiß und der gesamten Kämmerei für die ausgezeichnete Zusammenarbeit und große Hilfsbereitschaft bedanken!

Meine Kollegin Margret Hommelhoff hat ja am 29.11.die grundsätzlichere Bewertung unseres städtischen Haushalts vorgetragen. Diese Rede und die der anderen kann man – dank der Stadtredaktion – im Netz sehen und hören, was ich sehr hilfreich fand, weil ich aus beruflichen Gründen nicht in Heidelberg sein konnte. In dieser Rede hat Margret Hommelhoff auch unsere in der FDP-Fraktion mehrheitlich formulierten Änderungsanträge für den Bereich Kultur, Soziales und Wirtschaft erläutert, unsere Streichungsanträge und unsere Forderung nach einer globalen Minderausgabe, deren Höhe wir in weiteren Gesprächen noch verhandeln wollten.

Auf diese bereits in der Einbringungsrede dargelegten Punkte gehe ich heute nicht mehr ein, mein Beitrag ist als Ergänzung zu dem von Margret Hommelhoff Gesagten zu betrachten.


Allen Fraktionen hatte – in mehr oder minderer Schärfe dargeboten – die ursprünglich seitens der Stadt angestrebte Neuverschuldung für 2013: 29,5 Mio. Euro und 2014: 27,7 Mio. Euro ziemliches Kopfzerbrechen bereitet.

Doch auch hier muss man natürlich genauer hinsehen: selbstverständlich sind wir alle für den Ausbau der Kleinkindbetreuung, dieser Ausbau schlägt sich in den Personalkosten nieder, ebenso ist hier das Schulsanierungsprogramm zu nennen (2007-12 110 Millionen), der städtische Zuschuss an die Stadtwerke 6 Mio.), die Sanierung der GGH über ein PPP-Modell (2013 mit 1,4 Mio. und 2014 2 Mio.), die Miete für das Theater u.v.m.

All diese Maßnahmen hat der Gemeinderat beschlossen!!

Und da wir immer so viel mit Tortendiagrammen arbeiten, fiel mir dazu das Sprichwort unserer englischen Freunde ein: "You can't have your cake and eat it too". Man kann diese Dinge nicht beschließen und dann über die Verschuldung jammern...


Allerdings hat die SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster in Ihrer Haushaltsrede am 29.11. eine stattliche Erhöhung von 2009 bis zum jetzigen Haushalt bei den Verwaltungs- und Betriebsausgaben in gründlicher Recherchearbeit nachgewiesen. In all den Jahren habe auch ich immer die sich ständig verändernde Darstellung der Haushaltspläne und der Kennzahlen kritisiert, die es einem fast unmöglich macht, die jeweiligen Haushalte mit denen der Vorjahre zu vergleichen.

Die jetzige Form des Haushaltes ist leicht lesbar und transparent gestaltet und ich kann nur hoffen, dass sich diese Form für den nächsten Doppelhaushalt wegen der Vergleichbarkeit nicht schon wieder ändert.

Alle Fraktionsvorsitzenden haben sich vor der Einbringung der Änderungsanträge am 29.11. zusammengesetzt, um sich zunächst im Kulturbereich auf ein Antragspaket zu einigen und nach der Kritik an der Höhe der Neuverschuldung bei der Einbringung, hat die Verwaltung von sich aus den Fraktionsvorsitzenden und Gruppen ein Änderungsblatt vorgelegt, auf dem sie selbst eine Globale Minderausagbe in Höhe von 3,5 Mio. Euro jährlich vorsah und ebenso weitere Maßnahmen, um die Neuverschuldung auf unter 20 Mio. Euro jährlich zu senken. Die Kritik des Bundes der Steuerzahler bezieht sich also auf längst überholte Daten und man wundert sich angesichts der hohen Verschuldung anderer Kommunen schon sehr, wer sich wohl mit welcher Absicht hier ausgerechnet Heidelberg herausgesucht hat...

Dank der unermüdlichen Koordination, Moderation und Erstellung von Excel-Tabellen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Jan Gradel – an dieser Stelle vielen Dank von meiner Seite – und dank der strukturierten Leitantragsidee der SPD-Fraktionsvorsitzenden Anke Schuster – auch hier herzlichen Dank – haben wir Fraktionsvorsitzenden und Gruppenvertreter/innen uns in den letzten beiden Wochen in unglaublich vielen Stunden zusätzlich zu den eigentlichen Gremiensitzungen darum bemüht, ein Antragspaket und einen Leitantrag zu formulieren. Dieses Paket liegt Ihnen nun heute vor. Für beide Haushaltjahre gilt:

"Umsetzung einer globalen Minderausgabe von 7 Mio. €. – Die Erhöhungsanträge des Gemeinderats werden den Betrag von 2 Mio. Euro nicht überschreiten. – Anpassungen des Investitionsprogramms an eine max. Netto-Neuverschuldung von unter 20 Mio. € pro Jahr." Sowie Maßnahmen für die mittelfristige Finanzplanung 2015-2018, die Sie in unserem Leitantrag nachlesen können.

Wir haben uns dabei in fraktionsübergreifender und in meinen Augen auch sehr guter Atmosphäre bemüht, die Anträge sinnvoll zu bündeln und in einem ausgewogenen Maß zur Stützung des subsidiären Gedankens in der Bürgerschaft aufzugreifen. Selbstverständlich gefällt in einem solchen Paket nicht allen alles – aber das ist das Wesen eines Kompromisses, der zwischen sehr unterschiedlichen Gruppierungen ausgehandelt wurde.

In meinen Augen, meine Herren und Damen, lebt eine Kommune gerade von der Vielfalt und von dem subsidiären Gedanken im Sozial-, Sport und Kulturbereich. Eine Stadt ist kein Konzern – wie man ab und an liest – sondern ein höchst sensibles lebendiges Gefüge. Und unsere Aufgabe als Stadträtinnen und Stadträte ist es, die Gesamtheit dieser Stadt im Auge zu behalten, die verschiedensten Stadtteile zu berücksichtigen und die verschiedensten Themen abzudecken und nicht immer die, die sich am lautesten oder besten artikulieren können, zu bevorzugen. Bedenklich finde ich dabei, dass es immer mehr "X-Beauftragte" in den Kommunen gibt. Heißt das, wir nehmen als Stadträtinnen und -räte unsere Aufgaben nicht umfassend genug wahr – oder sind die Aufgaben heute so komplex geworden, dass wir Beauftragte benötigen? Ich nehme zu unseren Gunsten letzteres an. Es wäre daher in meinen Augen für die Entwicklung in einer Stadt völlig fatal, wenn man sich vor dem Hintergrund des eben Ausgeführten zu Zwecken der Einsparungen über die sogenannten "Freiwilligen Leistungen" hermachen würde, wie ab und an im Rahmen der Debatte über die Neuverschuldung schon zu hören war. Gut, dass wir dem nicht gefolgt sind – denn "freiwillig" sind diese Leistungen schon lange nicht mehr. Sie sind unentbehrlich für unser Gemeinwesen. Es handelt sich ja auch schließlich nur um eine Definition, die längst aufgehoben gehört.

Interessant finde ich persönlich übrigens: Viele, die jetzt laut über die Neuverschuldung klagen, wollten auch noch einen Neckarufertunnel bauen. Wenn Sie sich andere aus dem Ruder laufende Großbauprojekte anschauen: Wie der wohl unseren Haushalt belastet hätte???

Was hätten diese dafür im Haushalt kürzen wollen?

Zurück nochmals zu den sogenannten freiwilligen Leistungen: Über die Notwendigkeit im Sport besteht eigentlich fast immer Konsens: Sport fördert die Gesundheit und die körperliche Fitness, stärkt den Teamgeist etc. Die Existenz einer Vielzahl von Sportvereinen ist kein Thema und im Regelfall auch nicht Sportzentren (Sportzentrum Mitte) oder Hallenausbauten (TSG Rohrbach).

Warum wird es dann aber immer problematisch, wenn es um Kultur geht? Da fangen selbst bei langjährig bewährten Einrichtungen immer die Grundsatzdebatten an, die ich gerade auch als sportliche Aktive nicht nachvollziehen kann und ohne Paket, so glaube ich, hätten es die Kulturanträge sehr schwer gehabt. Dabei, meine Herren und Damen, erinnern wir uns: das Wort Kultur stammt vom Lateinischen "colere": "pflegen, urbar machen", das sich zunächst auf den Acker bezog und dann aber auch "die Pflege der geistigen Güter" meinte. Und gerade in einer Gesellschaft, in der der Materialismus bei manchem der einzige Sinn das Daseins ausmacht, ist die Pflege der geistigen Güter wichtiger denn je. Seit Aristoteles, einem Griechen übrigens, ein Vertreter des Volkes, auf dem man heute so gerne rumhackt, spricht man davon, dass der Theaterzuschauer bei einer Tragödie seine Seele von gewissen Affekten reinigt (Katharsis). Kulturelles und Geistiges hat daher seit je her in meinen Augen immer etwas mit der menschlichen Seele zu tun, die durch das Dargebotene berührt wird. Die Ästhetik wird angesprochen, das Nachdenken über sich und die Gesellschaft kann angeregt werden, man muss sich auch mit Themen auseinandersetzen, die auf den ersten Blick etwas sperrig und nicht so leicht konsumierbar wirken. Das Individuum in diesen Dingen zu schulen und zu bilden, ist eigentlich ein zutiefst liberaler Gedanke – es ist ein Gedanke der Aufklärung. Mit Bildung meine ich aber nicht: "Wer wird Millionär". Der "Wert" der Kultur lässt sich nicht messen. Das ist vielleicht das Problem in unserer heutigen Zeit und ein Problem für die Akzeptanz.

Es geht bei der Kulturförderung also nicht um die Förderung von netten persönlichen Hobbys von irgendwelchen netten Leuten, sondern um die Förderung von Qualität zur Förderung der geistigen Güter der Gesellschaft und zur Bildung der Menschen.

Daher ist es in meinen Augen mehr als angebracht, dem DAI, dem Unterwegstheater und dem Klangforum eine Zuschusserhöhung zukommen zu lassen. Hier geht es um hohe Qualität!!

Kulturförderung heißt aber eigentlich nicht, dass der Gemeinderat die Verwaltungsarbeit des Kulturdezernats übernimmt und – wie im Paket geschehen – einen Antrag für das Unterwegstheater wegen eines Problems mit einer Steuerrückzahlung beim Finanzamt stellen muss, oder die Mails von Plappermaul bezüglich eines Mietvertrags beantworten muss oder sich um ein Darlehen für eine Investition bei der Jugendkunstschule kümmern muss. Das ist wirklich Verwaltungsarbeit, für die der Gemeinderat eigentlich nicht zuständig ist.

Und noch etwas: ein neuer Theaterbau darf nicht dazu führen, dass man meint, man hätte jetzt alles Kulturelle in dieser Stadt erledigt. Man wird es nicht gerne hören, aber: Die Folgekosten, die daraus auf uns zukommen werden, dürfen weder dem eigentlichen Theaterbetrieb noch den anderen kulturellen Einrichtungen zum Nachteil gereichen.


Und da wir schon bei der Kultur angekommen sind, möchte ich mit Loriots Opa Hoppenstedt passend zur Weihnachtszeit schließen: "Früher war mehr Lametta".