Rede zum Neckarufertunnel, 23.7.2008
FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Annette Trabold
– es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte Herren und Damen,
drei Dinge vorneweg:

  1. Ich habe in all den Jahren meiner Gemeinderatstätigkeit einen Neckarufertunnel aus Kostengründen schon immer abgelehnt und sehe keinen Grund von dieser Position heute abzuweichen. Die Fakten sprechen eher noch mehr dagegen.
  2. Die FDP hat in den verschiedenen OB-Wahlkämpfen Herrn Lachenauer und Herrn Würzner unterstützt, obwohl sie für einen Neckarufertunnel waren. Der Heidelberger FDP-Bundestagsabgeordnete Dirk Niebel und ich sind deshalb zu den Tunnel-Infoständen von Herrn Würzner bei dessen OB-Wahlkampf nicht gegangen und haben Wahlaufrufe für Herrn Würzner mit Tunnel-Nennung nicht unterschrieben.
  3. Bei der Gemeinderatsfahrt nach Düsseldorf war ich nicht dabei, weil ich für unsere wissenschaftliche Einrichtung an diesem Tag einen "Tag der offenen Tür" zu organisieren und durchzuführen hatte. Hier im Gremium wird mir unterstellt, ich sei nicht mitgefahren, weil ich nicht wollte. Das entspricht nicht den Tatsachen. Düsseldorf kenne ich aber dennoch, daher gebe ich zu bedenken, dass man Heidelberg nicht mit Düsseldorf vergleichen kann.
Nun zu meiner Argumentation:

Mit öffentlichen Geldern muss man m.E. noch verantwortungsvoller umgehen als mit seinem eigenen Geld – daher kann ich nicht befürworten, dass sich der Schuldenstand der Stadt bis zum Jahr 2012 verdoppeln soll und das in einer Zeit, in der in Bund und Land die Neuverschuldung zurückgeschraubt bzw. auf Null gefahren werden soll. Ich darf daran erinnern, dass das Regierungspräsidium bereits im Genehmigungsschreiben für den Doppelhaushalt 07/08 "die Schuldenentwicklung der Stadt Heidelberg als kritisch angesehen" hat (vgl. städtische Vorlage zum Finanzierungskonzept "Stadt an den Fluss" vom 26.6.08, S. 3.1).

Ich darf auch auf einen Artikel der Stuttgarter Zeitung vom 10.5.2008 hinweisen, in dem über den mit der Überschrift "Das Steuerwachstum im Land bricht bald ab" über den Landeshaushalt ausgeführt wird: "Im kommenden Jahr klafft zwischen den Einnahmen und den Ausgaben noch eine Lücke von 709 Millionen Euro. Im Jahr 2010 fehlen 652 Millionen Euro und im Jahr 2011 sind es sogar 1,2 Milliarden Euro."

Viele Privathaushalte verschulden sich, weil sie schönen Verlockungen nicht widerstehen können und Dinge kaufen, die sie sich nicht leisten können. Wir als Stadträtinnen und Stadträte sind dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Kommune diesem Trend nicht folgt; daher sage ich: Angesichts der anstehenden wichtigen und tatsächlich auch nötigen Investitionen bei den Schulsanierungen, der Theatersanierung (mit realistischen Zahlen und keinen Wunschkosten !!), einer vernünftigen Wohnungspolitik, einer Verbesserung der Einkaufssituation und besseren Platzgestaltung in der Altstadt, einer Umgestaltung des Bismarckplatzes und einer dringen notwendigen Anbindung der Uni im Neuenheimer Feld mit Individualverkehr und ÖPN-Verkehr etc. können wir keine 180 Mio. Steuergelder (davon ca. 90 vom städtischen Haushalt) mit jährlichen Folgekosten von mind. 2 Mio. Euro für einen Tunnel am Neckarufer ausgeben (laut Stadt jährlich 390.000 Euro Unterhalt und 1,65 Millionen Euro Kreditrückzahlung (bei nur 60 Mio. Euro Eigenanteil !!)).

Das Finanzierungskonzept der Stadt ist mit heißer Nadel gestrickt worden und stellt – ich habe derartige Vorlagen im Laufe der Zeit genau zu lesen gelernt – eine seriöse Finanzierung m.E. in Frage. Es ist für das Voranbringen dieser Art Großprojekte auch typisch, dass immer gerade am Tag der Abstimmung eine wichtige Information des Regierungspräsidiums (RP) oder des jeweiligen Investors eingegangen ist, dass das Projekt völlig in Gefahr gerät, wenn nicht sofort heute zugestimmt wird. Ich kenne das Druck-Prinzip aus vielen Jahren. Das war am letzten Mittwoch in der betreffenden Finanzausschusssitzung auch so. Da wurde angeblich gerade noch mit dem RP telefoniert und die Chancen für das Projekt seien nur jetzt so gut wie nie.

Das Finanzierungskonzept vom 26.6.08 lässt viele Fragen offen. So liest man dort u.a. auf Seite 3.3: "Für eine seriöse Finanzierung der Großprojekte ist es erforderlich, im Finanzierungszeitraum im Ergebnishaushalt einen Zahlungsmittelüberschuss in Höhe von 12-15 Millionen Euro Überschuss jährlich zu erzielen. Das ist aus Sicht der Verwaltung nicht unrealistisch, erfordert gleichzeitig aber auch erhebliche Anstrengungen. Diese werden um so größer sein, sollten sich die finanziellen Rahmenbedingungen verschlechtern. Sollte dies eintreten, muss auch über strukturelle Änderungen nachgedacht werden."

Der Heidelberger Kämmerer Hans-Jürgen Heiß wird im Mannheimer Morgen vom 1.7.2008 wie folgt zitiert: ":Heiß fordert zudem eine ‘strenge Ausgabendisziplin bei allen freiwilligen Leistungen’ ein." Hier wird m.E. deutlich, wohin die Reise geht: Ich fürchte um die Pluralität in der Stadt zugunsten eines Millionen verschlingenden Tunnels von dem man sich illusionäre Wunder für die Stadt erhofft. Ich kann die mit dem Tunnel verbundenen Hoffnungen (Steigerung der Wirtschaftskraft Heidelbergs etc.) überhaupt nicht nachvollziehen und kann nicht begreifen, wieso ein Tunnel zu einem solchen "Heilsbringer" schöngeredet wird. Zur Förderung des Realitätssinns rate ich die aktuelle Kostenexplosion beim Neckargemünder Tunnel zur Kenntnis zu nehmen. In der Rhein-Neckar-Zeitung vom 2.7.2008 liest man auf Seite 11 dazu: "Schlichtweg enttäuscht ist Heinz Bahnmüller (FDP) davon, wie wenig die Prognosen der Experten zugetroffen haben. Knallharte Kostenkontrolle, das raten die Länder allen Tunnelträumern. ‘Und’, so Bahnmüller, ‘immer kritisch auf die Finger schauen’."

Wir sollten doch diese Neckargemünder Erfahrungen zur Kenntnis nehmen!
Ich bin für die Stadt am Fluss – aber bitte ohne Tunnel.