Einbringung der Haushaltsanträge, 29.3.2007
FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Annette Trabold
– es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Herren und Damen,

nachdem sich die Stadt Heidelberg schon seit einigen Jahren mit neuen Steuerungsmöglichkeiten, Produkten und Kennzahlen befasst hat, sind die Stadträtinnen und Stadträte nun mit dem neuen Haushalt, mit der Einführung der kommunalen Doppik konfrontiert. Einiges im neuen Doppelhaushalt war daher schon gewohnt, Neues orientiert sich an der kaufmännischen Darstellung und soll die tatsächlichen Kosten dokumentieren und bei einigen Dingen fragt man sich wirklich, ob sie der Transparenz und besseren Steuerung dienen oder nicht gar der Regulierungs- bzw. Erfindungswut und Beschäftigungstherapie der Finanzbürokratie. (Gerade heute stellt der Rechnungshof übrigens fest – das habe ich vorhin im Radio gehört – dass derartige betriebswirtschaftliche Instrumente in den Landesverwaltungen bisher mehr Kosten als Nutzen verursacht haben.)
Unserer Kämmerei zunächst herzlichen Dank dass sie die teilweise auch für sie diskussionswürdigen Vorgaben für uns trotz aller Probleme umgesetzt hat.

Dass die neue Darstellungsform abhängig von den Darstellungsmöglichkeiten von SAP-Programmen ist und manches aus Programmgründen schlichtweg nicht geht, zeigt ebenso, von welchen gar nicht rational begründbaren Faktoren wir Stadträtinnen und -räte heutzutage abhängig sind.
Wir kämpfen uns also tapfer durch die eng beschriebenen Papierberge des Haushalts, nehmen mit leichtem Schmunzeln zur Kenntnis, dass 2007 und 2008 unter der Rubrik Leistungen (!!) und Kennzahlen 9.400 Strafdelikte pro 100.000 Einwohner im Plan (!) stehen (TH 15,9) oder wir laben uns an Sätzen wie beispielsweise diesem: "Erstellung eines Konzepts zu Stadtteilkonferenzen für die demographiesensible Weiterentwicklung der stadtteilspezifischen Angebote und der Gestaltung des öffentlichen Raums." (TH 12.5) Der gefällt meinem Kollegen Uwe Morgenstern so gut ...
Letztendlich wird auch alles schlichtweg immer nur eines: nämlich optimiert. Alles dient der "Optimierung" – was auch immer damit kaschiert werden soll.
Tatsache bleibt aber, dass aufgrund sich ständig veränderbarer Kennzahlen, neuer Erfassung- und Betrachtungsweisen, anderer Grundlagen der Abschreibung etc., die Zahlen im Haushalt nur schwer mit denen der Vorjahre vergleichbar sind.

Dennoch, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, stellt die FDP-Fraktion fest:

Im Haushaltsplanentwurf 2007/2008 sind zahlreiche wichtige und notwendige Investitionen vorgesehen, die wir ausdrücklich begrüßen.
So z. B. die Schulsanierungen, die Theatersanierung, neue Baugebiete, der Ausbau der Kleinkindbetreuung, die grüne Welle, eine neue Dezernatsstruktur mit dem wichtigen Schwerpunkt Migration (ich weise seit Jahren auf diesen Punkt bisher vergeblich hin), das neue Querschnittsamt, Verkehrsmanagement die Wirtschaftsförderung als Chefsache , die Verbesserung der Stadteingänge etc. etc. Diese wichtigen Investitionen sind in den letzten Jahren nicht so recht angepackt worden, auch dies war – gerade was unsere Bauleistungen betrifft –, ein Grund für die geringe Verschuldung unserer Stadt. Ich kann auch nicht verstehen, in welchem schlechten baulichen Zustand unsere Schulen sind!
Nun sollen diese Dinge angepackt und zur Finanzierung dieser Maßnahmen soll nach der vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung die Verschuldung der Stadt Heidelberg von knapp 140 Mio. Euro im Jahr 2006 auf fast 257 Mio. Euro im Jahr 2011 steigen.
Die Summe ist trotz allem beachtlich und Bedarf unserer Ansicht nach weiterer Klärungen:

Vor diesem Hintergrund beantragen wir, dass die Verwaltung zu folgenden Fragen Auskunft gibt:

  1. Welche positiven Effekte aufgrund der investiven Maßnahmen (z.B. Steigerung der Einwohnerzahl, Neuansiedlung von Betrieben, ...) hat die Verwaltung für die Zeit bis 2011 in ihren Planungen zu Grunde gelegt?
  2. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, damit ab 2012 der Schuldenstand nicht weiter wächst?
    (siehe unseren Antrag)
Diese Einschätzung der Verschuldung ist für uns die zentrale Haushaltsfrage, die wir gerne im Rahmen der Haushaltsberatungen noch geklärt haben möchten.
Das ist unser Hauptantrag.

Weitere Anträge haben wir in dem kleinen Bereich der Zuschüsse, die aber große Wirkungen für unser Gemeinwohl erzielen. Trotz der Millionen Beträge, sollten wir auch die Anliegen derjenigen Ernst nehmen, deren Arbeit an Tausender-Beträgen hängt.
Auch oder gerade, weil wir neulich in der HSB-Aufsichtsratssitzung gelernt haben, dass für die RNV 14 Millionen teure Baukosten wohl unter die Rubrik: "Regt Euch nicht auf kann ja mal passieren" fallen!!

Im Bereich Sport hat ja die Verwaltung die Zuschüsse selbst schon um 100.000 Euro erhöht.

Im Bereich Kultur ist leider noch immer nicht die vom Oberbürgermeister im Karlstorbahnhofs-Beirat zugesagte Erhöhung des laufenden Zuschusses durch ein Ergänzungsblatt "aktenkundig" geworden. Das steht noch immer aus.
Die FDP-Fraktion hat einen Streichungsantrag für den neuen Zuschuss an die Heidelberger Sinfoniker vorgesehen (der Gemeinderat hat diesen Zuschuss im letzten Haushalt nach Diskussion im Kulturausschussabgeschafft)
Erhöhungsanträge haben wir für das DAI (plus 50.000), Klangforum (plus 15.000), für einen generationenübergreifenden Infopoint in der Stadtbücherei (plus 13.000) und für das Unterwegstheater (plus 30.000) gestellt. Für das Unterwegstheater beantragen wir auch, dass im Plan des Kulturdezernats bzw. -amts endlich steht:
Bereitstellung einer Spielstätte für das Unterwegstheater
Unser neuer Oberbürgermeister hat ja signalisiert, auch diese Sache endlich anpacken zu wollen. Ich baue darauf, sonst erlebt das Ensemble sein 20-jähriges Jubiläum 2008 nicht mehr.
Wir wissen doch, Herr Gerner, dass das Land die Spielstättenförderung im Moment quasi aus Kulanz zahlt und wir als Stadt mit einer Spielstätte gefordert sind. Ich war doch im Januar 2006 mit beim Ministerium und wir haben die Bedingungen gehört. Herr Mumm hat ein Protokoll verfasst, das sie kennen dürften. Da steht das mit der notwendigen dauerhaften Spielstätte auch drin!
Ich verstehe nicht, dass diese lapidare Absichtserklärung "Bereitstellung einer Spielstätte für das Unterwegstheater" nicht mal im Haushalt steht.
Aufgabe auch des Kulturdezernenten ist es, Qualität zu erkennen und zu fördern und die Künstler nicht nach ihrem stadt-gesellschaftlichen Wohlgefallen zu bewerten.

Im Bereich Soziales und Frauen
wollen wir die AG Soziale Nothilfe mit 14.400 Euro bedacht sehen, die DLRG (plus 3000) und die Frauenberatungsstelle Courage mit einem institutionellen Zuschuss von 27.000 Euro.

Bei den Baumaßnahmen
wollen wir die Anbindung Hertzstraße an B3 streichen, das hat der Gemeinderat im letzten Haushalt schon mal beschlossen, und die Unterführung Schlierbach verschieben.

Den Neckarufertunnel sieht die FDP wegen der Finanzierbarkeit und der Noch-Nicht-Anmeldung beim Land bisher mir Skepsis, das ist seit dem OB-Wahlkampf von Herrn Lachenauer bekannt. Mag die Vorstellung noch so schön sein. Ich persönlich kann mir in unserer Altstadt auch die Einfahrt und Ausfahrt von der städtebaulichen Gestaltung nicht so ganz vorstellen.
Wir haben uns entschlossen, die Planungsraten im Haushalt stehen zu lassen, damit man genau diese uns beschäftigenden Fragen klären kann: Wie teuer würde es, gibt es überhaupt Zuschüsse, wie sähe die Sache planerisch aus.
Diese Ergebnisse sind dann die Grundlagen für unsere weiteren Abwägungen, ob wir zustimmen können oder nicht.
Also laut und deutlich: das Stehenlassen der Planungsraten bedeutet nicht automatisch auch eine Zustimmung zu dem Projekt.

Im Übrigen werden wir in den nächsten Wochen unsere Anträge ja alle noch untereinander beraten, zum Glück gibt es in der Kommunalpolitik eine politische Offenheit, ganz besonders auch mit einem parteilosen Oberbürgermeister. Es gibt zum Glück auch keine ritualisierten Muster von Regierung und Opposition, die die Bürgerinnen und Bürger auch oftmals abstoßen, wir sollen uns gerade als Kommunalpolitikerinnen und -politiker nicht in ein solches Fahrwasser begeben.
Die FDP-Fraktion ist interessiert an sachorientierten Lösungen im Interesse Heidelbergs und so sehen wir den Beratungen mit Zuversicht entgegen.