Internet und Recht und Freiheit

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu Gast in Heidelberg

(von Moritz Feier, FDP KV Heidelberg)

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach anlässlich des kommenden Landtagswahlkampfes in Heidelberg auf Einladung von FDP-Landtagskandidatin Dr. Annette Trabold über die Grundsätze liberaler Rechtspolitik. Dabei beschäftigte sie sich vor allem mit den Herausforderungen, welche durch die immer schneller fortschreitende Vernetzung unserer Gesellschaft für unser Rechtssystem entstehen. In Ihrem Vortrag hob sie auch die Bedeutung liberaler Rechtspolitik aus Baden-Württemberg hervor.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und FDP-Landtagskandidatin Dr. Annette Trabold

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
und FDP-Landtagskandidatin Dr. Annette Trabold


FDP-Landtagskandidatin Dr. Annette Trabold lobte bei der Vorstellung ihrer Gastrednerin nicht nur deren jetzige Arbeit in der Bundesregierung, sondern hob auch die Prinzipientreue der Bundesjustizministerin hervor. "Man kann in der heutigen Zeit kaum glauben, dass jemand aufgrund seiner politischen Überzeugungen von seinem Amt zurücktritt", so Trabold über Leutheusser-Schnarrenberger, die 1996 aus Protest gegen den sogenannten "großen Lauschangriff" als Justizministerin zurückgetreten war.

Mit dem Titel der Veranstaltung, "Internet und Recht und Freiheit", sah Leutheusser-Schnarrenberger ein Spannungsfeld umschrieben, welches nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, egal ob als Privatpersonen oder als Unternehmer, vor große Chancen aber auch große Herausforderungen stellt.

Mit neuen Formen der Kommunikation gehen beispielsweise neue Formen von Vertragsabschlüssen und Geschäftsmodellen einher. Bezüglich vieler gesetzlicher Regelungen in Deutschland stellt Leutheusser-Schnarrenberger daher die Frage: "Gilt das Althergebrachte noch, oder müssen wir Grundsätze aufgeben, in dem wir sagen: Im Internet gelten jetzt rechtsfreie Räume, da müssen wir ein Stück weit kapitulieren?"

Diesen Herausforderungen an den Gesetzgeber stehen laut der Justizministerin auch neue Herausforderungen für den Einzelnen, den "User" gegenüber, der in der Lage sein muss, seine neuen Freiheiten verantwortungsvoll zu nutzen: "Die Möglichkeit der Freiheitsentfaltung eines jeden Einzelnen ist ja deutlich größer geworden", so Leutheusser-Schnarrenberger. Diese neue Freiheit reiche von der Kommunikation rund um den Globus und dem Austausch mit Freunden bis hin zu der Gewinnung von Informationen für Schul- oder Studienarbeiten.

Leutheusser-Schnarrenberger zeigte sich skeptisch, neuen Problemen allein auf dem herkömmlichen Wege, also durch Gesetzgebung, begegnen zu können. Vor allem sieht die Liberale die Notwendigkeit, Internetnutzer über die Chancen und Gefahren nahezu unbegrenzter digitaler Freiheit aufzuklären und seine Selbstbestimmtheit zu stärken. "Der einzelne Nutzer muss, beispielsweise bei der Angabe von persönlichen Informationen, wissen, wie seine Daten weiterverwendet werden können", so die FDP-Ministerin.

Auf Seite der Gesetzgebung hält Leutheusser-Schnarrenberger es nicht für sinnvoll, spezielle Gesetze für einzelne Formen der Internetnutzung zu schaffen. "Wir brauchen nicht für jedes neue Produkt, welches Google an den Markt bringt, ein einzelnes Gesetz." Viel mehr ginge es darum, einen allgemeinen aber schlanken Regelungsrahmen zu setzen. Ein rechtsfreier Raum sei das Internet aufgrund einer zurückhaltenden Reglementierung von Einzelfällen noch lange nicht. "Unser Strafrecht endet nicht am Internet. Natürlich gibt es strafrechtliche Regelungen, die auch im Internet greifen. Dies gilt natürlich auch für kinderpornografische Abbildungen", erklärte die FDP-Politikerin.

Generell müssten sich Reglementierungen des Datenverkehrs im Internet nicht zuletzt an der technischen Machbarkeit orientieren und zugleich auch geeignet sein, Missbrauch zu verhindern. Aus diesem Grund steht die Ministerin dem Konzept der sogenannten Internetsperren ablehnend gegenüber: "Die, die interessiert und gezielt nach solchen Inhalten suchen wissen dann, dass sich hier interessante Inhalte verbergen. Die technischen Sperren sind so leicht umgehbar, dass sie keinen wirklichen Schutz darstellen." Vielmehr sei ein intensives und konsequentes Löschen kinderpornographischer Inhalte, insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Ausland sowie eine Strafverfolgung der Verbreiter dieser Darstellungen zielführend.

Im Bereich des Datenschutzes erläuterte die Justizministerin die Grundsätze liberaler Rechtspolitik vor allem am Beispiel der Vorratsdatenspeicherung. Auch diese findet in Leutheusser-Schnarrenberger eine entschiedene Gegnerin. Nur bei einem bestehenden Anfangsverdacht hält es die Ministerin für sinnvoll, Kommunikationsdaten von Einzelnen zu speichern und gegebenenfalls bei Ermittlungen auf diese zurückzugreifen.

Lobende Worte fand die Ministerin für Ihren liberalen Kollegen in Baden-Württemberg, Landesjustizminister Prof. Dr. Ulrich Goll. "Ich bin froh, einen liberalen Justizminister und auch Spitzenkandidatin hier in Baden-Württemberg zu haben, der sehr wohl das, was wir uns in Berlin überlegen, unterstützt und dazu auch Vorschläge macht", verriet die FDP-Ministerin. So kamen entscheidende Impulse gegen die Einführung von ELENA, dem elektronischen Einkommenssteuernachweis, aus den Reihen der Baden-Württemberger Liberalen. Als Beispiel für die gute Zusammenarbeit nannte sie auch den Kampf gegen die Zwangsheirat. "Dass wir uns die Zwangsheirat vornehmen, verbunden mit besseren Rückkehrmöglichkeiten für die Betroffenen, das wäre ohne Überlegungen aus Baden-Württemberg, besonders aus dieser Legislaturperiode, in dieser Form nicht erfolgt", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Mit dieser Politik sieht sie die FDP für den kommenden Landtagswahlkampf gut aufgestellt.